Teil 2: Erinnerungen an ein nicht alltägliches Wohnen
- Peter Feßl
- 14. Apr.
- 3 Min. Lesezeit
Erinnerungen von Peter Feßl. Das Pfaffenhofener Mesnerhaus ist nicht nur ein Denkmal. Es war auch ein Zuhause. Autor Peter Feßl, der dort in den Nachkriegsjahren aufgewachsen ist, widmet dem fast 240 Jahre alten Haus eine kleine Serie – und erzählt im ersten Teil von der letzten Familie, die dort wohnte.

Von außen wirkt es beeindruckend, das alte Mesnerhaus in der Scheyerer Straße Nummer 5. Das war immer schon so, auch in meiner Kindheit, die ich dort verbrachte. Innen aber war das Gebäude aus dem Jahr 1788 nach dem Krieg 1945 eine „Bruchbude“, wie man in Bayern sagt. Es war nicht unterkellert, die Feuchtigkeit stieg die Wände hoch und Salpetersalzausblühungen verfärbten die locker hängenden Tapeten, die unschöne Anblicke etwas verdecken sollten. Ein Erdloch zum Aufbewahren von Kartoffeln und etwas Kohle war über eine abenteuerliche Wendeltreppe erreichbar. Ich vermied diese Treppe aus bröckeligen Ziegeln, denn ihr unteres Ende jagte mir regelrecht Angst ein. Man musste mit Taschenlampe oder Kerze in den dunklen „Kartoffelkeller“, der keiner war. Zwar gab es elektrischen Strom im Mesnerhaus, aber nicht dort unten, wo man Höllenphantasien ausleben konnte.
Auch der doppelte Dachboden unterm Mansardwalmdach wirkte bedrohlich, hatte man doch nach Überwinden der ersten Holztreppe noch eine weitere vor sich, die regelmäßig mit kleinen Scherben bedeckt war: Unter den Dachziegeln gab es nämlich keine Isolierung, und bei jedem Windstoß bröckelte etwas von den alten Ziegeln. Beim Wäscheaufhängen durfte ich helfen, einfache Stricke hierfür fanden sich im ersten Dachboden, der zweite wäre zu dreckig gewesen. Der zweite Dachboden beheimatete dafür eine besondere Attraktion: eine riesige Kreuzspinne, die unter einer windigen Dachluke ihr Netz gebaut hatte, lauerte auf Beute. Diesem Untier begegnete man mit Respekt, dennoch fütterte ich die Spinne wöchentlich mit Fliegen, die man einfach ins Netz werfen musste und das Schauspiel eines ungleichen Kampfes begann. Eine Tiersendung im modernen Fernsehen heute kann nicht aufregender sein!
Das Haus war geräumig und doch eng. Die Räume erschienen mir sogar als Kind sehr klein und niedrig, und zu unserer sechsköpfigen Familie gesellten sich noch eine alleinstehende Tante und eine alte Frau, die quasi aus früheren Zeiten als Oma-Ersatz zur Familie gehörte. Im Nachkriegsdeutschland war so ein „Patchwork“ nicht außergewöhnlich. Man rückte zusammen und war froh, ein Dach über dem Kopf zu haben.
Drei Zimmer befanden sich im ersten Stock, dazu ein Kämmerchen. Im Erdgeschoss gab es einen schmalen Hausgang, zwei Zimmer, ebenfalls ein Kämmerchen und eine Küche mit einem Kohleherd. Warmwasser konnte dort auf „traditionelle“ Weise mit dem Schöpfer aus dem „Schifferl“ des Kohleherdes entnommen werden, sei es zum Teekochen oder zum Abwaschen. Wasser gab es nur in der Küche, Spülklosett war unbekannt, der berühmte Donnerbalken mit einem dezenten Loch in einem glatt gehobelten Holzbrett war der nicht ganz bequeme Klositz. Immerhin hatte das Loch einen passgenauen Deckel, ebenfalls aus Holz. Entleert wurde die Grube jährlich. Ein Spezialfahrzeug mit Absaugschlauch und Pumpe erledigte das Geschäft mit dem „Geschäft“.
Badezimmer natürlich Fehlanzeige.
Mit Waschschüssel und Waschkrug ging es an die Körperpflege. Solange die Körpergröße es zuließ, wurde man einmal die Woche abends in eine große Zinkwanne gesetzt und abgeschrubbt. Dann ging`s ins Bett und am nächsten Morgen wartete ein frisches Hemd auf mich. Montag war Großwaschtag, für meine Mutter der schlimmste Tag der Woche. Im schmalen Zwischenraum zum Nachbarhaus, wo der Friseurladen Huber untergebracht war, gab es einen Waschkessel zum Wäschekochen und einen Wasserhahn zur gemeinschaftlichen Benutzung. Ohne Waschmaschine und ohne Schleuder dauerte die Knochenarbeit viele Stunden, wobei des Auswringen der Wäschestücke in den Handgelenken am meisten schmerzte. Das Kochen in der Küche blieb an diesem Tag Nebensache und wir Kinder halfen, so gut wir konnten.

Ich schaute dabei öfter durch ein putziges Fenster zur Kirchturmuhr, weil ich somit leichter abschätzen konnte, wie lange der Waschtag noch dauern wird. Dieses Spezialfenster im Wohnzimmer war ein architektonischer Service für den Mesner, damit er von zu Hause die Turmuhr ablesen konnte, um seinen Einsatz am Arbeitsplatz Kirche nicht zu verpassen. Die Sichtachse der Fensteröffnung war exakt zur Turmuhr ausgerichtet, die Kuriosität kann heute noch besichtigt werden. Die ganze Serie im Pfaffenhofener Kurier.
Initiative "Unser Mesnerhaus"
Das Mesnerhaus zählt zu den ältesten Gebäuden Pfaffenhofens. Es steht leer – und zum Verkauf. Damit dieses kulturgeschichtlich wertvolle Haus nicht in anonyme Hände fällt, möchte der Freundeskreis Mesnerhaus, eine Gruppe engagierter Bürgerinnen und Bürger, es in einer Genossenschaft erwerben, sanieren und wieder mit Leben füllen. Die Vision: ein offener Ort für Ausstellungen, Veranstaltungen, Bildung und Begegnung – mitten in der Stadt, getragen von der Bürgerschaft selbst.
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